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Denise Ritter

Pay! Attention! / Komposition, 3 Min, 2024

Ein offizieller Musiktitel für eine Fußball-WM oder ein EM-Song hat keine andere Wahl, als belanglos und nichtssagend zu sein. Das haben Denise Ritters akustische Recherchen quer durch die Fußballgeschichte ergeben und dazu animiert einen eigenen alternativen EM-Hit zu komponieren: „Pay! Attention!“. Den Gender-Pay-Gap im deutschen Profifußball thematisierend, ändern sich hier im Verlauf des Songs die Kontextualisierungen und die ursprüngliche musikalische Konformität schlägt um.

Das Stück ist im Schmackes zu hören und leitet über zu drei weiteren Fußballhymnen, die im Aufeinandertreffen nostalgische, aber auch anachronistische Gefühle beschwören. Denn zu jedem Fußballgroßereignis wird versucht DEN Song des Sommers zu komponieren, der inhaltlich niemanden stört, aber im Ohr bleibt: Wer erinnert sich nicht an Shakiras „Waka Waka“ zur WM 2010 in Südafrika? Oder an Herbert Grönemeyers "Zeit, dass sich was dreht“ zur WM 2006 in Deutschland? Zur letzten WM in Katar entstanden übrigens ganze sieben offizielle WM-Songs…
Das gemeinsame Singen stiftet Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit, es schafft Emotionen und kollektive Erinnerungen. Doch Ritter geht mit ihrem Beitrag ganz anders um: Es fehlen eingängige Melodien und ein Chorus zum Mitsingen. Die klischeehaften Klänge zu Beginn schlagen um in Noise Industrial, durchbrochen von sprachlichen und melodischen Zitaten sowie Audioaufnahmen von skandierenden Stimmen und hupenden Autos. Sie stammen vermeintlich von Jubelfeiern und Korsos, in Wirklichkeit jedoch von Protestaktionen. Ritters Hymne wird so zur Geste der Auflehnung und fragt danach, was Gemeinschaft auf Augenhöhe wirklich heißt.

Denise Ritter (geb. 1971 in Rheinland-Pfalz, lebt und arbeitet in Dortmund) ist Bildende Künstlerin und Komponistin. Ihre Sound Installationen basieren auf Aufnahmen realer Klangereignisse, die sich oftmals auf konkrete Orte und Räume beziehen. Sie münden in elektroakustische Mehrkanalkompositionen, die als plastische Interventionen in den Ausstellungsraum treten. Ritter absolvierte 2008 ein Studium der Audiovisuellen Kunst an der HBKsaar in Saarbrücken als Meisterschülerin von Prof. Christina Kubisch und wurde wenige Jahre später mit dem Deutschen Klangkunst-Preis ausgezeichnet. Sie ist bei Ausstellungen und Festivals im In- und Ausland vertreten, realisiert Arbeiten im öffentlichen Raum und komponiert neben Industrial (aka Schachtanlage Gegenort) auch Hörstücke und elektroakustische Musik. 

Website der Künstlerin: gegenort.com
Instagram: @denise_ritter_gegenort

Text: Linda Schröer
Foto: Nicola Bork