Kick and Tipp
In den siebziger Jahren wurde bei uns oft und viel Tipp-Kick gespielt. Die Figuren wurden nicht gut behandelt, bisweilen haben wir sogar die Schussbeine „angeschliffen“, um die Schusstechnik zu verbessern.
Der Dortmunder Sönke Kirsch (*1965) liegt Anfang der 70er Jahre mit seiner kindlichen Begeisterung für Tipp-Kick voll im Trend. Zur WM 1974 in Deutschland erlebte das bereits 1924 von dem Kaufmann Edwin Mieg erfundene Spiel einen Boom. Erstmals konnten Partien mit Figuren in den Farben der teilnehmenden Nationalteams nachgespielt werden.
Kirschs Kinderzimmer zierten wilde Tapetenmuster, seine kleinen Kick-Figuren waren rot und gelb – eine Farbkonstellation die er heute gern als Duell FC Bayern gegen den BVB interpretiert. Damals lebte Kirsch in Rendsburg und es war „eine schleswig-holsteinische Tradition, den Tipp-Kick-Figuren das Schussbein anzuschleifen, um das Schussverhalten zu verbessern.“ Nicht immer gelang die Optimierung – die eine oder andere Figur verlor ein Bein. „Aber ich konnte noch nie irgendwas wegschmeissen, so landeten die Figuren nach den missglückten Operationen nicht im Müll, sondern in der Kiste für verdiente Reservisten und Veteranen.“
1926, auf der ersten inoffiziellen Präsentation des Spiels vor (!) der Halle der Leipziger Spielwarenmesse, ahnte keiner, dass Tipp-Kick auch 100 Jahre später noch Kult sein würde.
Das Prinzip war und ist einfach: Mit einer Blechfigur, deren Fuß sich auf K(n)opfdruck bewegen läßt muss ein kleiner Würfel ins Tor geschossen werden. Wegen der geringen Masse des Blechspielers war dies nicht einfach und so ließ Edwin Mieg die Figuren ab 1925 aus Blei gießen. Die Nachfrage war groß, 1938 entstand ein eigenes Fabrikgebäude und die Kicker wurden ab da aus Zink in der eigenen Fabrik gegossen. 1948 starb Mieg und seine Söhne übernahmen die Firma. Das Spiel blieb bis in die 50er Jahre nahezu unverändert, nur die Bälle und Tore werden seitdem aus Kunststoff hergestellt.
Mit dem WM-Titel für Deutschland im Jahr 1954 kam es auch für Tipp-Kick zum großen Durchbruch: 180.000 Spiele wurden in diesem Jahr in Deutschland verkauft. Seitdem steigt und sinkt und steigt die Nachfrage – noch immer gibt es das kultige Spiel und noch immer ist das Unternehmen in der Hand der Familie.
Pünktlich zur Frauen Fußball-WM 2011 in Deutschland gab es dann die erste weibliche Spielerfigur: „[...] eine dezent weibliche Metallspielerin, die Sportlichkeit und das Feminine vereint“, so das Unternehmen auf seiner Website.
Zum 100. Jubiläum des Spiels ist wieder EM – Grund genug für eine Sonderedition in Kooperation mit dem DFB. Die historischen Figuren sind gemeinsam mit der Spielzimmertapete im Briefkästchen zu sehen.
Mehr zur Geschichte des Spiels gibt es auf der Kick-Tipp-Webseite.
Text: Daniela Berglehn